Meerschweinchen: Mitbürger der politischen Gemeinschaft

tierAngewandte Ethik gegenüber Schwein und Haushuhn, veganes Hundefutter, Gerechtigkeit für das Milchkalb, Menschenrechte für Menschenaffen: Das ist heute die Diskussion. Und Papst Franziskus hat die Hoffnung erweckt, dass auch Hund und Katze in den Himmel kommen können. Manche träumen von „Zoopolis“: Die kanadischen Tierethiker Sue Donaldson und Will Kymbcka tun das. Sie nehmen die Sache politisch und wünschen sich eine „gemischte Mensch-Tier-Gesellschaft“, in der nicht nur Menschen „unverletzliche Grundrechte“ haben, sondern Tiere und ich. Wie würde man leben in Zoopolis, als Mensch, als Tier? Ich denke an moderne Tierarztpraxen, an Papageien mit implantierten Kniescheiben, an Katzen mit Herzschrittmacher und auch an den Dackel von gegenüber, der aussieht, als ob er bald eine künstliche Hüfte brauchte; in Zoopolis musste ich den Nachbarn wahrscheinlich anzeigen, wenn der Hund die Behandlung und das Gelenk nicht bekommt. Wenn wir Leiden verringern können in Zoopolis, stand in dem Beitrag der Tierethiker, dann sollen wir es tun. Ich dachte an die Meerschweinchen, die wir als Kinder hatten. Sie wären Mitbürger der politischen Gemeinschaft, mit unverletzlichen Grundrechten, ihre Würde wäre zu wahren. Wir hatten zwei Meerschweinchen, anfangs, und dann waren es bis zu 20. Das männliche Meerschwein hatte vermutlich ein ganz gutes Leben: viel Gesellschaft, viel Sex. Für seine Gefährtin und die Töchter, die er ebenfalls schwängerte, fiel sein Verhalten eher unter häusliche Gewalt. Wir hätten eingreifen müssen. Mit Tauben, die auf dem Balkon zu brüten versuchen, müsste man sich wohl abfinden, als Einwohner von Zoopolis. „Opportunistische Grenzgänger“ schreiben Donaldson und Kymlicka, dürfen wir „legitimerweise fernzuhalten versuchen, indem wir unsere Umgebung weniger gastfreundlich gestalten. Der leere Blumentopf auf meinem Balkon war ein Fehler. Meine Schuld, dass ich im Sommer eine brütende Stadttaube darin fand. Wenn das Fernhalten der Grenzgänger nicht gelungen ist, schreiben die kanadischen Autoren, „massen wir ihren Status regularisieren und ihre Gegenwart akzeptieren“ Ich mag Tiere, und ich esse Tiere. Und die Taube auf dem Teller ist mir lieber als die auf dem Balkon. In Zoopolis hätte die Taube vermutlich Wohnrecht, mit Einwohnerstatus, wir meisten uns miteinander arrangieren. Manche schaffen das heute schon ganz gut. Die Biobäuerin beispielsweise, die mir von ihrem Kompromiss erzählte: Sie macht ihre Schweine mit vergorenen Obstresten betrunken, bevor sie vor dem Schlachter stehen.